„Das Netzwerk ist mehr wert als jeder Euro“

Herr Buer, das diesjährige Heilbronn Hospitality Symposium legt einen großen Schwerpunkt auf Technologie und Vernetzung in der Branche. Wie integrieren Sie diese Themen aktuell in die Lehre an der Hochschule Heilbronn?
Wir bieten an der Hochschule Heilbronn zwei Studiengänge an: Tourismusmanagement und Hotel- und Restaurantmanagement. Letzteren werden wir neu aufstellen, um ihn stärker in Richtung Technologie zu entwickeln. Neben klassischen Themen wie E-Business und E-Commerce haben wir nun den gesamten Bereich der Digitalisierung integriert. Dabei vermitteln wir nicht nur die Anwenderseite, sondern auch die Grundlagen der Technologien. Die Studierenden lernen, wie Technologien funktionieren.
In den Schwerpunkten wie Revenue Management, Marketing, Development oder Gastronomielehre bleiben wir auf der Anwenderseite. Wir analysieren die Prozesse, welche Technologien benötigt werden und welche Innovationen entstehen, um in der Hotellerie bestimmte Folgen zu erwarten. Konkret: Jeder spricht davon, dass die Hotellerie digital werden muss, zum Beispiel mit digitalem Check-in. Wir erklären den Studierenden aber, dass sie nicht nur den digitalen Check-in lernen müssen, sondern den komplexen Sachverhalt dahinter verstehen sollen. Es geht um den Wertewandel, den wir seit vier, fünf Jahren erleben. Wir haben den größten Wertewandel in der Geschichte der deutschen Hotellerie seit dem Zweiten Weltkrieg vor uns, nicht nur durch den Generationswechsel, sondern auch durch das Verständnis, was Übernachten und Essen bedeutet. Genau das wollen wir ihnen vermitteln.

Wie steht es um den Kenntnisstand der Studierenden in Bezug auf neue Technologien?
Die jungen Leute haben meiner Beobachtung nach heute eine höhere Affinität zu Medien und niedrigere Hürden, wenn es darum geht, Technologien zu nutzen. Allerdings sind sie häufig nicht in der Lage, die Prozesse und die dahinterliegenden Komplexitäten zu verstehen. Sie verstehen etwa nicht, wie die Technologien wirklich funktionieren. Unsere Aufgabe in der Lehre ist es daher, sie an diese Prozesse heranzuführen. Denn ein Smartphone allein kann den Rahmen einer Übernachtung nicht darstellen. Es kann vieles begleiten, aber die Kernprozesse wie Housekeeping oder Service bleiben bestehen.

Sie haben erwähnt, dass Sie den Studiengang Hotel- und Restaurantmanagement neu aufstellen. Was genau wird sich ändern?
Wir haben festgestellt, dass sich das Nachfrageprofil der Studierenden verändert hat. Viele sind viel mehr englischsprachig unterwegs, und wir haben bereits 40 Prozent unserer Vorlesungen in englischer Sprache. Daher planen wir, ein ausschließlich englischsprachiges Programm anzubieten. Wir möchten die Studierenden in einer breiten betriebswirtschaftlichen Grundlage abholen und ihnen dann ab dem Hauptstudium Spezialisierungen ermöglichen, zum Beispiel im Bereich Hotel, Gastronomie, Wein oder Tourismus.
Zudem möchten wir näher an die Praxis. Wir passen unsere Prüfungsleistungen und -zeiten so an, dass die Studierenden in vorlesungsfreien Zeiten voll für Unternehmen arbeiten können. Wir behalten das Praxissemester bei, um den Unternehmen die Chance zu geben, mit den Studierenden themenspezifischer zu arbeiten. Wir öffnen uns damit auch für internationale Firmen, die Studierende schicken möchten, die das gesamte Programm in Englisch absolvieren wollen.

Wie Krisen die heutige Studierendengeneration verändert haben

Spätestens seit Corona ist die Welt und das Umfeld von Menschen im Alter Ihrer Studierenden von multiplen Krisen geprägt. Wie hat sich deren Haltung verändert, und welche Herausforderungen ergeben sich daraus?
Was uns auffällt, ist eine geringere Verbindlichkeit sowie ein Verhalten, dass auch im Hinblick auf Lehre und Studium ein gewisser Konsumanspruch besteht: Alles ist jederzeit verfügbar und kann jederzeit angenommen, aber auch wieder abgelehnt werden. Ein Beispiel zur Einschreibung in einen unserer Studiengänge: Bei 130 Bewerbungen haben 80 eine Zusage erhalten. 42 haben zugesagt und nur knapp 30 haben sich am Ende wirklich eingeschrieben. Doch mit so einer Einstellung funktioniert ein Studium nicht: Wir müssen die Studierenden stärker abholen und ihnen vermitteln, dass ein Studium eine starke Eigenleistung erfordert, die wir auch einfordern.
Gleichzeitig erkennen wir an, dass diejenigen, die es durch Corona geschafft und sich durchgebissen haben, eine schwere Zeit hinter sich haben. Das muss man respektieren und Ihnen hoch anrechnen. Viele von diesen gehen mit hoher Disziplin und Selbstbewusstsein an Herausforderungen und fordern auch uns als Professoren viel mehr heraus. Das ist eine gute Sache.

Insbesondere das Heilbronn Hospitality Symposium versteht sich als Ort der Erfahrungsaustausch zwischen den Generationen, etwa Studierenden, Alumni und etablierten Branchenplayern. Wie wichtig ist dieser Austausch?
Beim Symposium möchten wir genau diesen Austausch fördern. Die jüngere Generation kann von der Erfahrung und der Achtsamkeit der Älteren profitieren. Umgekehrt können die Älteren von den Jungen lernen, andere Sichtweisen zu akzeptieren. Wir müssen als Teil des angesprochenen Wertewandels lernen, dass auch junge Menschen Gedanken einbringen können, die zu Veränderungen führen. Die Transformation, die wir erleben, müssen wir gemeinsam gestalten.
Die jüngere Generation hat oft einen ganz anderen Blick auf den Markt und die Produkte. Sie wollen vielleicht keinen Full-Service-Kommunikationsgedanken eines Hotels, sondern suchen nach Alternativen. Als ältere Generation müssen wir verstehen, dass wir nicht alles neu erfinden müssen, aber die Prozesse und Technologien so anpassen sollten, dass sie den aktuellen Anforderungen entsprechen.

Führungskräfte-Nachwuchs? „Bin grundsätzlich optimistisch“

Welche Erwartungen haben Sie an die zukünftigen Führungskräfte in der Branche?
Ich bin grundsätzlich optimistisch. Die Generation, die jetzt heranwächst, geht mit höherer Disziplin und Selbstbewusstsein an die Herausforderungen. Sie hat die Folgen von Corona erlebt und zieht daraus ihre Schlüsse. Wir müssen ihnen jedoch helfen, ihre Verantwortlichkeit zu erkennen und sie dabei unterstützen, die notwendigen Kompetenzen zu entwickeln. Es ist wichtig, dass sie lernen, auf Menschen zuzugehen, Netzwerke zu knüpfen und von anderen zu lernen. Das Netzwerk ist mehr wert als jeder Euro. Denn dadurch gewinnt man Erkenntnisse und kann sich weiterentwickeln. Genau das wollen wir mit dem Heilbronn Hospitality Symposium fördern.

Das Heilbronn Hospitality Symposium legt in diesem Jahr den Fokus auf neue Technologien. Was zeichnet das Programm speziell aus?
Uns ist es immer wichtig, beim Symposium eine Storyline zu haben, auch im Programm eine Dramaturgie zu verfolgen. Das diesjährige Symposium legt einen starken Fokus auf Technologien in der Hotellerie und Gastronomie. Wir möchten in verschiedenen Runden intensiv diskutieren, ob wir selbst Bremser sind oder Innovationen vorantreiben. Es geht darum, zu verstehen, welche Technologien wir wirklich brauchen und wie sie Mehrwerte generieren – sowohl ökonomisch als auch im sozialen Bereich. Wir wollen die Auswirkungen von Innovationen auf Mitarbeiter und Prozesse beleuchten und kritisch hinterfragen, wo wir stehen und wohin wir gehen. Wir müssen endlich akzeptieren, dass sich Hotellerie und Gastronomie wandeln müssen, und zwar langfristig.