Wie Business-Hotels überleben können…

Schon der Name des Hauses klingt nach Business: Congress Hotel am Stadtpark. Die Lage direkt neben dem Kongress- und Veranstaltungszentrum in Hannover könnte für Geschäftsreisende kaum besser sein. Doch seit mehr als einem Jahr steht ein Großteil der 258 Zimmer leer, noch immer sind die meisten der knapp 90 Mitarbeiter in Kurzarbeit. Hoteldirektor Cord Kelle will nichts beschönigen. Er geht nicht davon aus, dass seine Gäste bald zurückkommen.

Mindestens elf Milliarden Euro haben Unternehmen laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft im vergangenen Jahr eingespart, weil sie ihre Mitarbeiter pandemiebedingt kaum noch auf Dienstreise geschickt haben – Geld, dass der Tourismusbranche entgangen ist. Auch in diesem Jahr kann von einer Erholung keine Rede sein. “Vor allem Hotels in Städten, die vom sogenannten Konferenz- oder Kongresstourismus leben, leiden aufgrund des Überangebots an Hotelzimmern”, sagt Professor Christian Buer, der an der Hochschule Heilbronn lehrt und gleichzeitig bei Horwath HTL, dem weltweit größten Beratungsunternehmen für die Hotelbranche tätig ist.

Hört man sich bei deutschen Dax-Unternehmen um, gewinnt man nicht gerade den Eindruck, als würde die Reiselust langsam zurückkehren – im Gegenteil. “Grundsätzlich sind sämtliche Dienstreisen auf ein erforderliches Maß zu beschränken und wo möglich durch alternative Mittel der Kommunikation, zum Beispiel Skype, zu ersetzen”, heißt es beispielsweise bei BMW. Auch Siemens teilte auf SZ-Anfrage mit, sehr gute Erfahrungen mit virtuellen Besprechungen gemacht zu haben: “Daher wird auch bei künftigen Geschäftsreisen geprüft werden, ob ein persönliches Treffen notwendig ist oder ob das jeweilige Thema nicht über eine Videokonferenz oder Ähnliches sinnvoll und ressourcensparend gelöst werden kann.”

Während sich viele Firmenchefs also über ein großes Plus in der Bilanz freuen und ihre Angestellten dauerhaft auf weniger Dienstreisen einstimmen, setzt dieser Trend die Business-Hotellerie enorm unter Druck. “Meine Geschäftsgrundlage ist ja die Begegnung von Menschen”, sagt Hoteldirektor Kelle. “Wenn die wegfällt, habe ich ein Problem.”

Auch im Hotel können virtuelle Konferenzen stattfinden

Etwa 650 Kilometer entfernt von Hannover steht Hoteldirektorin Alexandra Radwan im großen Konferenzraum des Hotels “Prinzregent” in München Riem und betrachtet ein 86 Zoll-Touch-Display auf einem Rollwagen. “Weframe” heißt das neue Gerät, welches ihre Mitarbeiter an diesem Tag aufgebaut haben. Mit dem können Hotelgäste künftig mit Menschen von außerhalb gemeinsam an einer Art virtuellen Tafel zusammenarbeiten. Einerseits entgehen Radwan durch dieses hybride Format womöglich Übernachtungsgäste, die lieber nur online bei Tagungen dabei sind. Andererseits bleibt der Hoteldirektorin wenig anderes übrig, als sich den Wünschen ihrer Kunden anzupassen.

“Das Tagungsgeschäft ist seit einigen Wochen wieder angelaufen”, sagt Radwan, “allerdings kann von Planungssicherheit oder gar Erholung noch keine Rede sein.” Die Zimmerbelegung schwanke extrem. An guten Tagen seien bis zu 70 Prozent ihrer 90 Zimmer ausgebucht, es gibt aber auch immer noch zu viele Tage, an denen nur 15 Prozent der Zimmer belegt seien. Radwan überlegt seit Längerem, was sie mit den leerstehenden Räumen anfangen soll. Vielleicht die Wände so umbauen, dass man sie beliebig verschieben kann, um noch flexibler zu werden? Oder Künstlerateliers schaffen? Oder die Zimmer an fitte Senioren vermieten, die nicht allein sein wollen? Der Versuch, die Zimmer an Menschen, denen zu Hause die Decke auf den Kopf fällt, als Ersatz-Home-Office unterzuvermieten, sei leider nur bedingt angenommen worden.

Cord Kelle ist etwas weniger umtriebig. “Was soll ich machen? Das Bett senkrecht ins Zimmer stellen? Dann kommt auch kein Gast mehr”, sagt er. Ein Zimmer bräuchte man nun mal zum Übernachten und zum Duschen – für anderes sei ein klassisch geplantes Haus wie das Congresshotel am Stadtpark nicht konzipiert. Selbst eine Umfunktionierung zu Lagerräumen sei aus versicherungstechnischen Gründen keine Option. Und sich auf Freizeitgäste konzentrieren, schließlich ist Deutschlandtourismus gerade äußerst beliebt? Auch schwierig, zumindest in Hannover. “Ich kann mein Hotel ja nicht unter den Arm klemmen und am Timmendorfer Strand wieder aufbauen”, sagt Kelle. Wirtschaftlich sei sein Unternehmen bislang aufgrund des soliden Wirtschaftens in den vergangenen zehn Jahren, aber auch dank Überbrückungshilfen und Kurzarbeitergeld, gerade so davongekommen. Doch der mentale Stress sei für ihn und seine Mitarbeiter enorm. “Da sind schon viele Tränen geflossen.”

Kelle ist nicht nur Hoteldirektor, sondern auch Vorsitzender der Fachgruppe Hotellerie des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) in der Region Hannover. Dem Auslaufen der Überbrückungshilfen Ende des Jahres sieht er mit Sorge entgegen. Er befürchtet, dass viele Hotels es dann noch nicht schaffen werden, aus eigener Kraft zu überleben: “Dann beginnt das große Sterben.”

Experten schätzen, dass bald einige Businesshotels dicht machen müssen

Experten wie Professor Buer von Horwath HTL oder Markus Heller von der Münchner Unternehmensberatung Dr. Fried & Partner rechnen ebenfalls damit, dass bald einige Businesshotels vom Markt verschwinden werden. Die Prognose, dass in den nächsten Jahren 20 bis 30 Prozent weniger Geschäftsreisen stattfinden werden als vor der Pandemie, halten beide für plausibel. Gleichzeitig glauben sie daran, dass es für die Branche in absehbarer Zeit wieder aufwärts gehen wird. “2022 wird für viele Hotels wie eine Neueröffnung sein. 2023 beginnt eine Stabilisierungsphase und 2024 oder 2025 werden wir wieder Zahlen haben wie vor der Pandemie, allerdings mit angepassten Schwerpunkten”, prognostiziert Buer. Er geht davon aus, dass das Drei- bis Vier-Sternesegment schrumpfen wird. “Das Hotel, das versucht, full-service anzubieten, mit ein bisschen Tagungsmöglichkeiten und trotzdem einem vollem Restaurant, das wird weniger.” Für Buer liegt die Zukunft der Geschäftshotellerie zum einen in großen Tagungs- und Kongresshotels und zum anderen in Hotels mit sogenannten “Co-Working und Co-Living-Bereich”. Damit meint er insbesondere preiswertere Unterkünfte mit funktionalen Zimmern und modernen Gemeinschaftsräumen, in denen sich die Gäste sowohl für Besprechungen als auch zum Arbeiten und Entspannen treffen können.

Heller schreibt die Geschäftshotellerie ebenfalls noch längst nicht ab. Momentan würden die Unternehmen seiner Einschätzung nach vor allem von den guten Kundenbeziehungen leben, die sie vor der Pandemie aufgebaut hätten. Aber neue Kundenkontakte zu knüpfen und Vertrauen aufzubauen, sei über die digitalen Medien schwierig. “Spätestens wenn der erste Wettbewerber anfängt, seine Kunden wieder persönlich zu besuchen und dort eine soziale Bindung aufzubauen, werden auch andere wieder in den Flieger steigen”, sagt Heller. Die Digitalisierung könnte seiner Meinung nach langfristig sogar Vorteile haben. In der Pandemie sei es für viele Menschen selbstverständlich geworden, das eigene Büro immer auf dem Laptop dabei zu haben. Dadurch sei es nun viel einfacher als früher, auch während einer Dienstreise mit den Kollegen in der Firma in Kontakt zu bleiben und produktiv zu arbeiten – sofern die Hotels darauf eingestellt seien.

Die Planungsunsicherheit, sagt Radwan, sei eine der größten Herausforderungen dieser Krise. Wie gerne würde die Hoteldirektorin ihren Mitarbeitern eine verlässliche Perspektive geben: “Ganz klar sagen zu können, ab da seid ihr raus aus der Kurzarbeit. Das war nicht möglich und ist nicht möglich.” Trotzdem gibt es Lichtblicke: Die Gastronomie laufe mittlerweile wieder richtig gut, hier sei bereits fast das komplette Personal wieder in Vollbeschäftigung. Und noch etwas macht Radwan Mut: Bis auf wenige Ausnahmen seien ihr bislang alle Mitarbeiter treu geblieben. Sie habe sogar den Eindruck, dass die Loyalität der meisten noch gewachsen sei: “Weil wir durchgehalten haben.”

Einfach aufgeben kommt auch für den 40-jährigen Hoteldirektor Kelle aus Hannover nicht infrage. Er hofft, dass er bis zur Rente in der Hotellerie arbeiten kann, also noch mindestens 25 Jahre. Kelle sagt: “Eine Strategie und – das ist durchaus ernst gemeint – ist durchhalten und schauen, was danach noch übrig ist.”