Unternehmer haben jetzt alle Hände voll zu tun: Notfallmaßnahmen einleiten, Kommunikation mit den Mitarbeitern, Kurzarbeit anmelden, Informationen einholen, welche Hilfsmaßnahmen wo und wie zu beantragen sind, Formulare ausfüllen. Nun geht es darum, den Betrieb und die Existenz zu retten. Nicht nur die eigene, sondern auch die zahlloser Beschäftigter.
Im Mittelpunkt steht, dass der Staat schnell und unbürokratisch Hilfe leisten muss. Zuletzt versprach die Bundesregierung eine Reihe von Rettungspaketen und will dafür eine Neuverschuldung von 156 Mrd. Euro in Kauf nehmen. Aber es klemmt derzeit etwa in den Arbeitsagenturen oder auch bei Hilfsanträgen an die Banken. Mit jedem Schritt in Richtung Lohn- und Mietzahlungen werden die Schweißperlen dicker.
Angesichts der immer gravierender werdenden Auswirkungen nimmt Prof. Dr. Christian Buer von der Hochschule Heilbronn die Immobilieneigentümer in die Pflicht. „Immobilienbesitzer müssen sich mit Gastronomen und Hoteliers solidarisieren und auf Mieten verzichten. Es kann nicht sein, dass nur die Betriebe die globale Krise schultern müssen. Die gesamte Prozesskette muss einbezogen werden.“
Erste Immobilieneigentümer erlassen Mieten
Erste positive Beispiele gibt es bereits. So postete Spitzenköchin Cornelia Poletto: „In Zeiten von Corona, von Panik und Existenzängsten, von Hamsterkäufen und Ignoranz möchte ich heute mal etwas mit Euch teilen, was mich total gerührt hat. Wie viele andere Branchen auch sind wir Gastronomen schwer getroffen von den notwendigen (!) Vorsichtsmaßnahmen. Deshalb ist der Vermieter meiner Kochschule auf mich zugekommen und hat mir sowie allen seinen Mietern aus der Gastronomie angeboten, die Miete für den kommenden Monat zu erlassen und sie für die Folgemonate bis auf weiteres um die Hälfte zu kürzen. Was für eine großzügige, solidarische Geste.“
Ungewöhnliche Lösungen
Der CEO der ältesten Luxushotelkette Europas, Kempinski CEO Martin Smura stellt sich in dieser Extremsituation ein Bündel von Maßnahmen vor: „Ein zeitlich beschränktes Grundeinkommen kann erstens die Existenz von Mitarbeitern sichern, die aktuell an ihre finanziellen Grenzen stoßen. Zweitens schaffen herabgesetzte Konditionen von Basel II, III und IV neue wirtschaftliche Spielräume. Drittens kann die Hospitality-Branche sich nur nachhaltig erholen, wenn die Mehrwertsteuern in und auch nach der Krise deutlich gesenkt werden.“
Der Aufsichtsratsvorsitzende der Hotelkette Dorint, Dirk Iserlohe, schlägt eine Verlegung der Sommerferien auf den Herbst vor, so dass im Sommer die ausgefallenen Messen wiederholt werden können. „Nur mit ungewöhnlichen Lösungen werden außergewöhnliche Situationen beherrschbar.“.
Phase zwei – Die Zeit danach
Bei all den hitzigen Diskussionen gibt es Unternehmer, die die Phase zwei erreichen, in der sie schon vieles geregelt haben und nach vorne schauen: Auf die Zeit nach Corona. Sie wirken in diesen außergewöhnlichen Zeiten überraschend cool und diszipliniert, besuchen uns auf Facebook mit Videos, veröffentlichen Corona-Tagebücher und Durchhalteparolen, kümmern sich um die Verwerfungen der Gesellschaft und Weltwirtschaft. Manche trösten sich und andere mit positiven Schlaglichtern: Delfine in Venedig, Singen in Italien, das ewige Hamsterrad ist gestoppt, Besinnung auf die richtigen und inneren Werte, Zeit innezuhalten, Schub für die Digitalisierung.
Unternehmer und Autor Carsten K. Rath philosophiert zuhause über die Fragen des Tages und eine sympathisch optimistische Sicht hat Zukunftsforscher Matthias Horx veröffentlicht, der eine ungewöhnliche Perspektive einnimmt und in einem imaginären Blick von September 2020 aus auf die Coronakrise zurückschaut. Der Artikel ging viral, macht gute Laune, weil er in diesen Katastrophenzeiten einen Weg für das Leben danach aufzeigt. Ob es so kommt, ist natürlich fraglich.
Auch aus seiner Sicht stehen gewaltige Veränderungen in unserer sich auflösenden Welt bevor. „Ich werde derzeit oft gefragt, wann Corona denn vorbei sein wird, und alles wieder zur Normalität zurückkehrt“, schreibt Horx. „Meine Antwort: Niemals. Es gibt historische Momente, in denen die Zukunft ihre Richtung ändert. Wir nennen sie Bifurkationen. Oder Tiefenkrisen. Diese Zeiten sind jetzt.“
Holger Hutmacher von den New Moon Era Hotels lebt den positiven Unternehmer mit großem Optimismus vor und betont, er wolle keine Mitarbeiter entlassen: „Ich mache konkrete Pläne für die Zukunft.“
Wann beginnt die Zukunft?
Allerdings muss gefragt werden, wann diese Zukunft wirklich beginnt. Mitte März sorgte in Baden-Württemberg eine Verordnung mit Notfallregeln für Panik, die erst am 15. Juni ausläuft, also nach drei Monaten. Bis dahin wären nach einer Umfrage des Leaders Club Deutschland viele Betriebe insolvent, es drohen Massenentlassungen und Betriebsaufgaben. In der Verordnung sind aktuelle Maßnahmen wie Schulschließungen und das Aussetzen des Studienbetriebs jedoch derzeit bis zum 19. April befristet, sie können aber recht leicht verlängert werden.
Virologen bereiten uns darauf vor, dass der Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus eher eine Sache von Monaten ist als von Wochen. In einigen Veröffentlichungen heißt es, eine flache Infektionskurve könnte sogar erst im kommenden Jahr auslaufen und bis dahin seien Schutzmaßnahmen notwendig.
Der CEO der Oetker Collection, Frank Marrenbach, stellt sich schon auf eine bis zu sechs Monate dauernde Downphase ein, auch für das Brenners Park-Hotel & Spa in Baden-Baden. „Seine Prognose: Im besten Fall nehme das Brenners bereits im Juni den Hotelbetrieb wieder auf, im schlechtesten erst Anfang 2021″, sagt er dem Handelsblatt.
Solidarität und Verrohung
Doch wie kann man sich auf einen monatelangen oder sogar einjährigen Lockdown einstellen? Zwar gibt es gegenseitige Unterstützung wie Nachbarschaftshilfe, die Digitalisierung bekommt einen Turboschub und die Hotelkette IHG sendet jeden Abend Lichtsignale der Hoffnung aus ihren leeren Hotels. Prizeotel CEO Marco Nussbaum lobt den Spirit seines Teams und zitiert den früheren Bundeskanzler Helmut Schmidt: In der Krise zeigt sich der wahre Charakter.
So betrachtet liegen Solidarität und Verrohung dicht nebeneinander. Der Hilfsbereitschaft stehen gegenüber: Das Hamstern von Toilettenpapier, Forderungen, Mitarbeiter der Gastronomie zum Ernteeinsatz zu schicken und Lehrer zu Zwangsarbeiten heranzuziehen.
Allgegenwärtig sind Rufe nach noch härteren Beschränkungen und mehr Überwachung. Jetzt schlägt die Stunde der Erzieher. Sie fotografieren Menschengruppen mit mehr als drei Personen und stellen sie mit Beschimpfungen und Forderungen nach drakonischen Strafmaßnahmen ins Netz und verstellen so den Blick auf die vielen Vernünftigen. Die Sprengkraft nimmt mit jeder Woche zu. Manchmal scheint es fast so: Wer jetzt noch in der Öffentlichkeit lacht, macht sich verdächtig.
Next Exit?
Der Publizist Christoph Keese meinte kürzlich in einem Podcast von Gabor Steingart, wir müssten unsere Freiheit durch Unfreiheit erkaufen. Doch das geht nur dann, wenn es einen plausiblen Exit-Plan gibt. Wenn die Unfreiheit ein Jahr dauern würde, was bliebe übrig? Oder reichen nach der ersten Welle mildere Sperrvorgaben?
Vor allem muss ein Impfstoff her. Sonst stellt sich die Frage, ob unsere Wirtschaft wirklich bis Jahresende in den fortlaufenden Frühjahrs- Sommer-, Herbst- und Winterschlaf sinken wird. Welche Gesellschaft hält das durch? Was sind die Perspektiven? Diese Diskussion ist über Ostern zu führen.