„Das Schlimmste ist uns erspart geblieben, da schließe ich mich Ingrid Hartges vom Dehoga an“, so der Kommentar von Otto Lindner zum Wahlergebnis. Die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands hatte zuvor im Gespräch mit der ahgz gesagt: „Gut ist erstmal, dass Rot-Grün-Rot vom Tisch ist. Das Worst-Case-Szenario bleibt uns erspart.“
Das Wichtigste ist nun für den Chef der Lindner Hotels und Vorstand des Hotelverbands Deutschland (IHA), weiter dafür zu sorgen, dass die Branche in der Politik gehört wird und sich am besten in einem Koalitionsvertrag auch explizit wiederfindet. Immerhin hätten in der Coronakrise die Unterstützungsleistungen gezeigt, dass das Gastgewerbe und der Tourismus von den Entscheidungsträgern wahrgenommen würden.
Koalitionsverhandlungen könnten lange dauern
Professor Christian Buer von dem Beratungsunternehmen Horwath HTL für die Region DACH stellte fest: „Interessant ist, dass die Linken, die sich so auf das Thema Mindestlohn eingeschossen hatten, kaum Stimmen geholt haben. Eigentlich wäre doch eine Koalition aus SPD, CDU und der FDP schön, da gäbe es wenigstens eine ordentliche Mehrheit, aber das wird wohl nichts. Ich wäre froh, wenn wir zu Weihnachten eine neue Regierung hätten.“
Projektentwickler Lothar Schubert von DC Developments unterstrich die lange Vorlaufzeit in seinem Bereich, wo unter fünf Jahren Entwicklungszeit kaum etwas realistisch ist. „Verlässlichkeit und Stabilität sind da entscheidend.“ Für die Innenstadtentwicklung spiele das Schaffen von Wohnraum eine wichtige Rolle, und dabei müssten die anderen Nutzungsbereiche wie Hotel über eine Quersubventionierung die Rentabilität des Gesamtprojekts sichern.
Sowohl in Deutschland als auch in Österreich hat derweil gerade in der Ferienhotellerie eine Aufholjagd eingesetzt. Hierzulande berichteten Hotels an der Küste von 95 Prozent Auslastung, so Buer. In C- und D-Städten habe sich die Hotellerie deutlich schneller erholt und wieder ihre 60 bis 70 Prozent Belegung erreicht, während in den A-Städten die Großveranstaltungen fehlten. Im Nachbarland sei die Sommersaison auch wirklich gut gelaufen, bestätigte Brigitte Gruber, bei HTL Horwath für Österreich zuständig – allerdings lägen die kumulierten Zahlen bisher im Vergleich zum Vorjahr noch 12 Prozent im Minus.
Raten in Ferienhotels haben angezogen
Otto Lindner hob vor allem die positive Entwicklung der Zimmerpreise in der Freizeithotellerie hervor, zum Teil sei die Rate um 20 bis 30 Prozent gestiegen. Und selbst in der Stadthotellerie bringe derzeit Leisure die Frequenz. „Da haben wir gerade Spitzenwerte an den Samstagen. Allerdings hat man da natürlich nicht so hohe Raten wie bei großen Messen oder Kongressen, die bisher noch fehlen.“ Verlierer seien eindeutig große Kongress- sowie Airporthotels.
Ob das bei Projektentwicklern zu einer Umorientierung bei den Hotelsegmenten führe, hakte Moderator Rolf Westermann von der ahgz-Chefredaktion nach. „Es ist auf jeden Fall gut, wenn man an einen Betreiber vermietet, der in seinem Portfolio eine Risikostreuung hat“, so Schubert. Bei Betriebskonzept und Break-even schaue er nun ganz genau hin. Und Betreiber könnten punkten, wenn sie sich bei der Quartiersentwicklung in Mischnutzung auch bei anderen Nutzungsarten einbringen.
Der Mangel an Mitarbeitern treibt nicht nur die Hotellerie um, aber sie ist durch die Abwanderung in andere Branchen während Corona besonders stark betroffen. So hat sich im Vergleich zu Spitzenzeiten die Zahl der Azubis mehr als halbiert von 100.000 auf 45.000. Lindner verwies darauf, dass sich das Problem dadurch massiv verschärfe, dass die Generation der Babyboomer (geboren zwischen 1946 und 1964) in Rente gehe. Um das auszugleichen, sei nach Expertenschätzungen eine jährliche Zuwanderung von 400.000 Erwerbspersonen nötig. Sein Appell: „Wir dürfen nicht mehr darauf beharren, Mitarbeiter für unsere gewohnten Abläufe zu finden. Die Hotellerie muss umdenken und ihre Prozesse an die verfügbaren Mitarbeiter anpassen.“
Neue Verteilung des Risikos?
Die Lockdowns haben Hotelbetreiber auch deshalb so hart getroffen, weil sie bei Fixpachtverträgen trotz Umsatzausfall die volle Pacht zahlen sollten. Eine Neuverteilung des Risikos, etwa durch entsprechende hybride Pachtverträge, mahnte Otto Lindner an. Bei Entwickler Lothar Schubert stieß er damit nicht wirklich auf Gegenliebe. „Wir tragen als Entwickler eigentlich schon genug Risiko“, befand er. Allerdings räumte er ein: „Wenn die Betreiberseite darüber reden will, müssen wir das tun – wir wollen ja schließlich den besten Betreiber für unsere Hotelprojekte.“
Und wie geht es mit dem Tourismus auf absehbare Zeit weiter? „Der Tourismus wird zurückkommen“, bekräftigte Buer. Das bedeutet für die Anbieter aber auch, dass sie sich nicht auf Dauer auf den Nachfrageboom aus dem Inland verlassen können. Das sieht auch Gruber so: „Derzeit verreisen die Leute eher im Nahbereich, aber das wird nicht so bleiben. Auch der Burgenländer will dann bald wieder nach Bhutan.“
Am 25. und 26. Oktober findet im Steigenberger Airport Hotel der Hotelimmobilien-Kongress statt, bei dem die aktuellen Entwicklungen und Aussichten der Branche von Experten aus Hotellerie und Immobilienbranche diskutiert werden.