Die Fixkosten niedrig halten oder gar senken – für Hotellerie und Gastronomie ist das in der Coronakrise eine der großen Kraftanstrengungen. Allein der Posten Miete beziehungsweise Pacht schlägt kräftig zu Buche. „In der Hotellerie hast du wahnsinnig hohe Pachten – was passiert, wenn du keine Miete zahlst? Bist du kündbar? Darf der Vermieter deine Kaution einziehen“, fragte Hotelier Alex Urseanu von der Frankfurter Gekko Group jüngst im ahgz-Videotalk.
Professor Christian Buer von der Hochschule Heilbronn forderte, Immobilienbesitzer mit ins Boot zu holen, und dass diese ihre Mieten aussetzen. „Dafür bin ich von den Banken ziemlich direkt angegriffen worden“, berichtete Buer, ebenfalls beiahgz talks . Seinen Ansatz erklärte er so: „Es geht nicht nur um den Mietzins. Es geht in der Wertschöpfung auch um die Banken, die genauso ihren Teil beitragen müssen. Sie machen mehr oder weniger null Prozent Refinanzierung bei der EZB, geben ihre Prozente drauf, machen ihre Gewinne. Ich bin der Meinung, dass man mit den Immobilienbesitzern die Finanzierungsstrukturen diskutieren muss – und das machen mittlerweile auch einige Immobilienbesitzer und gehen auf ihre Mieter zu.“ Ebenso hatte TV-Koch Christian Rach imFeinschmecker -Interview darauf hingewiesen, wer im Gewerbe nicht überschuldet sei, könne doch darüber nachdenken, Mieten auszusetzen, denn das würde gerade kleinen Gastronomen enorm helfen. Auch Appelle aus der Lokalpolitik wurden hörbar. So rief etwa Felix Schwaller, Oberbürgermeister von Bad Aibling, die Vermieter seiner Stadt dazu auf, wenn möglich auf einen Teil oder die gesamte Miete, für einen Monat oder auch länger, zu verzichten, so das Oberbayerische Volksblatt . Schwaller bat um Solidarität mit in Not geratenen Hoteliers und Gastronomen, da ohne Zusammenhalt und beispielhaftes Vorangehen die Solidargemeinschaft zusammenbreche. Solidarität hatte Gastronom Alexander Scharf, Gastro Urban in Goslar, in einem Gastkommentar gedrängt. „Warum fordern Vermieter 100 Prozent ihrer Mieteinnahmen und tragen nicht auch einen Teil zur gesellschaftlichen Aufgabe bei?“
Manche Vermieter zeigen sich solidarisch
Erste Lichtblicke gab es noch bevor die Politik reagierte. Vermieter von Gastro- und Hotelobjekten zeigten mancherorts Kulanz, indem sie Mieten erließen oder aussetzten. „Der Vermieter meiner Kochschule ist auf mich zugekommen und hat mir angeboten, die Miete für den kommenden Monat zu erlassen und sie für die Folgemonate bis auf Weiteres um die Hälfte zu kürzen“, berichtete die Hamburger Gastronomin Cornelia Poletto auf Facebook. Für diese „großzügige, solidarische Geste“ sei sie sehr dankbar, so Poletto, und „es lässt mich hoffen, dass wir diese Krise gemeinsam meistern können“. Auch für Tina Brack, geschäftsführende Direktorin im Ellington Hotel Berlin, bedeutet es eine Sorge weniger, dass die Eigentümergesellschaft ihres Hauses – Familie Streletzki und Ideal Versicherung – die Miete aussetzt haben. „Das sind gleich weniger Bauchschmerzen“, sagte sie.
In Saarbrücken atmeten Wirt Jürgen Petry vom Gasthaus Zahm sowie drei weitere Traditionsgaststätten auf, da ihnen ihr Vermieter, die M&R Beteiligungsgesellschaft, für vorerst zwei Monate die Miete erlassen hat. Ebenso geht es den Gastronomen im Lübecker Einkaufscenters Luv Shopping. Betreiber Ingka Centres hat dort allen Geschäften bis auf Weiteres die Mieten und Nebenkosten erlassen – schließlich sei man an einer langfristigen Beziehung zu den Mietern interessiert, heißt es in denLübecker Nachrichten . Den temporären Mietverzicht sieht der Betreiber als Beitrag, die aktuelle Situation seiner Mieter zu unterstützen.
Ein Solidaritätspaket für Wirte geschnürt haben wiederum Brauereien wie Meckatzer aus dem Allgäu oder die Ayinger Privatbrauerei bei München. Bei Meckatzer gehört dazu die Stundung der Pacht für zunächst April und Mai sowie die Stundung von offenen Rechnungen aus Bierlieferungen bis zum Jahresende. „Nur miteinander sind wir stark“, so Michael Weiß, Geschäftsführender Gesellschafter der Brauerei. Ayinger wiederum hat den Wirten die gesamte Pacht für den Monat April erlassen. Auch offene Forderungen, Zinsen und Tilgungszahlungen treibe man derzeit nicht ein, so Chef Franz Inselkammer gegenüber dem Münchner Merkur .
Verschnaufpause per Gesetz
Am 25. März nun hat die Bundesregierung als Teil der Corona-Hilfsgesetze beschlossen, dass Mieter, die durch die Corona-Pandemie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, vor Kündigungen wegen Zahlungsverzuges geschützt werden. Die Regelung ist auf drei Monate – 1. April bis 30. Juni – begrenzt. Die Pflicht des Mieters oder Pächters zur fristgerechten Zahlung bleibt dabei bestehen. Zahlungsrückstände aus dem genannten Zeitraum berechtigen den Vermieter – für die Dauer von 24 Monaten – jedoch nicht zur Kündigung. Erst, wenn der Mieter oder Pächter die Zahlungsrückstände samt Verzugszinsen auch nach dem30. Juni 2022 noch nicht beglichen hat, kann ihm wieder gekündigt werden. Während das Gesetz vor allem Kleinunternehmen und Mittelständlern eine Verschnaufpause verschaffen soll, sorgten angekündigte Mietzahl-Stopps von Großunternehmen wie Adidas, H&M und Deichmann für bundesweite Empörung. Die Corona-Hilfsgesetze böten dafür keine Grundlage, ließ sich Bundesjustizministerin Christine Lambrecht vernehmen. Und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil verwies gegenüber der ARD darauf, dass das Gesetz nicht für Unternehmen gemacht sei, die Rücklagen haben. Mieter bzw. Pächter seien durch die Hilfsgesetze lediglich vor einer Kündigung geschützt, wenn die Miete bzw. Pacht nicht gezahlt werden könne, macht Rechtsanwalt Prof. Clemens Engelhardt, Trustberg LLP, in einem LinkedIn-Post an die Hotellerie noch einmal klar. Sprich: „Die Miete wird nur aufgeschoben, nicht aber aufgehoben oder verringert“, so Engelhardt.
Bundesregierung wie auch Dehoga raten Mietern zugleich weiterhin, mit ihren Vermietern nach einer einvernehmlichen Lösung zu suchen, wenn es zu Mietschwierigkeiten käme. In der Hotellerie versuchen das gerade Deutsche Hospitality, 25hours oder prizeotel. Dessen CEO Marco Nussbaum stellt klar: „Der individuelle Dialog mit dem Vermieter, um gemeinsam eine solidarische Lösung zu finden, ist sicherlich die beste Vorgehensweise.“ Doch längst nicht überall gelingt das, weiß Gastronom Alexander Scharf: „Kollegen berichten mir, dass sie Vermieter haben, die überhaupt nicht verhandlungsbereit sind. Doch wir kommen nur durch diese Krise, wenn wir uns anständig und solidarisch verhalten.“ Schließlich werde es eine Zeit nach der Krise geben, für die es sich die eigenen Mieter auch zu erhalten gelte.